Bauen und WohnenFachagentur Nachwachsende Rohstoffe e. V.

 

Strohgedämmte Gebäude

Stroh, eines der wichtigsten landwirtschaftlichen Nebenprodukte, wird in der Regel als Einstreu in der Tierhaltung genutzt oder zum Ausgleich der Humusbilanz wieder in den Boden eingearbeitet. Darüber hinaus bestehen jedoch erhebliche Potenziale für eine höherwertige Nutzung, wie z. B. in modernen Strohfeuerungsanlagen oder als Baustoff. So findet Stroh u. a. in Form von Strohbauplatten oder als Leichtzuschlag in Lehmprodukten Verwendung. Eine in Deutschland noch relativ junge Entwicklung ist die Nutzung ganzer Strohballen zum Bau von Gebäuden. Beispiele in anderen Ländern verweisen dagegen auf eine deutlich längere Tradition und auch auf den nachhaltigen Wert von Strohbauweisen.

Strohgedämmte Außenwand Bildquelle: Dirk Scharmer

Strohgedämmte Außenwand Bildquelle: Dirk Scharmer

Einführung

Energieeffizienz und Ressourcenschonung bereits beim Bau von Gebäuden lassen Strohbauweisen als besonders nachhaltige Alternative zu konventionellen Bauweisen erscheinen. Vorteilhaft sind auch Aspekte der regionalen Wertschöpfung im ländlichen Raum und die Möglichkeit, Strohbaustoffe mit vielen weiteren Naturbaustoffen im gesamtheitlichen Baustoffkonzept eines Gebäudes zu verbinden.

Naturbelassene Getreidestrohballen aus landwirtschaftlicher Herkunft eignen sich hervorragend als Wärmedämmstoff für Außenbauteile von Gebäuden. Wände und Dächer, die hiermit ausgefacht werden, erreichen nicht nur höchste Dämmstandards, sondern sparen bereits Energie bei ihrer Herstellung. In der Praxis haben sich Strohbauten unterschiedlichster Ausführungsart bewährt. Erstmals wurden strohgedämmte Wände von nordamerikanischen Siedlern im holzarmen Nebraska um die vorletzte Jahrhundertwende errichtet. Kaum eine andere Bauweise kann so überzeugend als nachhaltig gelten wie Strohballenbau. Infolge zahlreicher Untersuchun­gen und Nachweise stehen hierzulande mittlerweile ausge­reifte und sichere Verfahren zur Herstellung von strohge­dämmten Bauteilen zur Verfügung.

 

Nachhaltigkeit

Mit Strohballen lassen sich Gebäude besonders nachhal­tig errichten. Die Vorteile betreffen alle drei Bereiche der Nachhaltigkeit, den ökologischen, den sozialen und den ökonomischen: Strohgedämmte Holzbauteile verursachen besonders geringe schädliche Umweltwirkungen bei der Herstellung. Aus Sicht des Klimaschutzes weisen sie sogar Umweltvorteile auf, weil sie über ihre Lebensdauer klima­schädliches CO2 in Form von pflanzlich gespeichertem Koh­lenstoff der Atmosphäre entziehen. Strohgedämmte Bau­teile haben eine ähnliche Lebensdauer wie herkömmliche Bauteile. Weder im Bereich der Herstellungskosten noch der Kosten über den gesamten Lebenszyklus weisen sie rele­vante Unterschiede auf.

 

Bauaufsichtliche Anerkennung

2006 konnte der FASBA die Erteilung einer allgemeinen bauaufsichtlichen Zulassung (abZ) für Baustrohballen er­reichen (Z-11.23-1595, 2006), in der Eigenschaften von Baustrohballen wie Normalentflammbarkeit und Wärme­leitfähigkeit festgelegt wurden. Für die Anwendung wurde innenseitig eine Dampfbremse und außenseitig eine Über­dämmung vorgeschrieben. Mit der überarbeiteten Zulas­sung von 2014 konnten die Eigenschaften einfacher und vom eingebauten Zustand her bestimmt werden sowie der Anwendungsbereich aufgrund von Messdaten aus Gebäu­den und computergestützten Nachweisen neu und umfäng­lich bestimmt werden (inklusive der direkten Verputzbarkeit von Strohoberflächen innen- wie außenseitig).

Aufgrund des Trends zur europäischen Kennzeichnung von Bauprodukten wurde diese 2017 auf eine Europäische Technische Bewertung umgestellt (auf Englisch: European Technical Assessment, abgekürzt: ETA).

Mit der ETA für Baustrohballen und der Strohbauricht­linie liegt eine weitgehende bauaufsichtliche Anerken­nung für das Bauen mit Stroh vor. Darin sind die we­sentlichen Eigenschaften von Stroh als Baustoff sowie – seit 2014 – ein umfänglicher Anwendungsbereich benannt (ETA 017/0247, 2017; Strohbaurichtlinie 2019.

Mit den vorhandenen Nachweisen und Zulassungen kann Stroh bis zur Gebäudeklasse 3, d. h. in der Praxis in bis zu drei­geschossigen Gebäuden ohne Weiteres eingesetzt werden. Mit der Strohbaurichtlinie liegt seit 2014 ein Standard für fachge­rechtes Bauen mit Stroh vor.

Der FASBA hat sich zunächst auf die Bautauglichkeit von Stroh­ballen, „so wie sie sind“, konzentriert; jedem Landwirt und je­dem Handwerksbetrieb sollte eine Teilhabe und ein Einstieg in die Bauweise ermöglicht werden. Inzwischen zeigt sich, dass eine zukünftig größere Verbreitung der Bauweise von Effi­zienzsteigerungen in den Bereichen Baustoffgewinnung und Bauteilfertigung abhängig sein wird. Dabei werden sich ver­schiedene Herstellungsketten vom Strohhalm auf dem Acker bis zum fertigen strohgedämmten Gebäude als zeitgemäß be­währen.

 

Strohgedämmte Bauteile

Eine Bauweise – zwei Konstruktionsarten

Die Strohbauweise kennt zwei Konstruktionsarten: den last­tragenden Strohballenbau und die Verwendung von Strohbal­len als nicht druckbelastete Ausfachung. Für die lasttragende Konstruktionsart entsprechend den historischen Vorbildern in Nebraska fehlt hierzulande ein allgemeingültiger Tauglichkeits­nachweis. Einige so konstruierte Gebäude wurden jedoch mit­hilfe von Zustimmungen im Einzelfall genehmigt.

Demgegenüber ist die Tauglichkeit von Strohballen als aus­fachendem Dämmstoff nachgewiesen. Für den Einsatz in Ge­fachen mit lichten Abmessungen bis 1 m wurde 2006 eine allgemeine bauaufsichtliche Zulassung (abZ) für den Wärme­dämmstoff Baustroh erreicht, und mit deren Überarbeitung 2014 darf diese Konstruktionsart direkt mit Lehm oder Kalk verputzt und auch mit Plattenwerkstoffen o. Ä. verkleidet als ausgereift und allgemein anerkannt gelten (Z-23.11-1595, 2006, 2014). Seit 2017 ist die abZ auf eine Europäische Tech­nische Bewertung umgestellt (ETA 017/0247, 2017).

Bauteile im Neubau mit Strohballen unterscheiden sich nach Tragwerk und nach Bekleidungen innen und außen; der Einbau des Strohs kann in Vorfertigung unter Dach er­folgen oder bauseits nach dem Richten.

Bohlenständerkonstruktionen im Strohballenraster

Bewährt haben sich im strohgedämmten Neubau Holztrag­werke, bei denen die Strohballen in ein modernes Fachwerk bzw. im Dach zwischen Sparren eingepasst werden. Diese Holztragwerke zeichnen sich durch ein Rastermaß zwischen den Ständern aus, welches – je nach Einbausituation – ex­akt einem oder zwei nebeneinanderstehenden Strohballen oder auch der Länge eines Strohballens entspricht. Die Tiefe des Ständers entspricht, gegebenenfalls inklusive Aufdopp­lung mit Putzträger bei Direktverputzung, der Dämmstärke der Strohballen. Andere Konstruktionen sind möglich, aber zumindest in Deutschland weniger üblich. Solche stroh­ballenoptimierten Bohlenständerkonstruktionen werden entweder direkt verputzt oder mit Platten, Brettern oder Bahnen bekleidet.

Holzwerkstoffplatten oder eine Diago­nalverschalung können die Konstruktion üblicherweise auf der Innenseite aussteifen, bei der direkt verputzten Ausfüh­rungsart wirken im Stroh eingefräste, zimmermannsmäßig ausgeführte Streben aussteifend. Bei der Bekleidung mit Plattenwerkstoffen ist zu beachten, dass deren Abmessungen und die Abmessungen der Stroh­ballen in der Regel zunächst nicht aufeinander abgestimmt sind. Sofern möglich, sollen die relevanten Größen – Stroh­ballenformat, Dicke der Ständer, Format des Plattenwerk­stoffes – planerisch miteinander in Einklang gebracht wer­den. Bei der Direktverputzung kann der Standardabstand der Holzständer am Format der Strohballen ausgerichtet werden.

 

Baustrohballen

Zum Bauen geeignete Ballen bestehen aus Getreidestroh, das in landwirtschaftsüblicher Weise zu quaderförmigen Ballen gepresst wurde. Als besonders geeignet gilt das Stroh von Roggen und Weizen, aber auch Gerste, Triticale, Dinkel und Einkorn können verwendet werden. Ein übliches Format solcher (Klein-)Ballen ist ca. 36 cm × 48 cm × 85 cm. Andere Formate ergeben sich je nach Querschnitt des Presskanals und der Längeneinstellung. Zum Bauen geeig­nete Strohballen sind dem Augenschein nach goldgelb bis blassgelb, die Strohhalme sind möglichst lang und durch den Drusch möglichst wenig beschädigt (Schüttler-Mäh­drescher). Ihre Oberflächen sind eben und im Verhältnis zu­einander rechtwinklig, die Kanten gerade und nicht gerun­det. Die Einschnürungen müssen unter Spannung stehen, dürfen die Stirnseiten etwas eindrücken und dürfen sich beim Transport nicht vom Ballen lösen. Sie sind kompakt gepresst und formhaltig. Die flache Hand kann nicht oder nur sehr schwer zwischen die einzelnen Strohschichten des Ballens geschoben werden (BauStroh GmbH, 2019, Stroh­baurichtlinie, 2019).

Eine gesundheitliche Belastung durch Spritzmittelrückstände im eingebauten Stroh ist nicht bekannt und wird auch nicht vermutet. Allerdings wurde dies bislang wenig erforscht. Bei Verwendung von Biostroh sind Spritzmittelrückstände im Stroh ausgeschlossen.

Beim Strohballenbau liefern landwirtschaftsübliche Ballen­pressen, die nicht zur Herstellung eines Baustoffs entwickelt wurden, ein Material, das für Bauzwecke mehr oder weniger optimiert hergestellt werden kann. Die Formate sind nicht oder nur in geringem Umfang variierbar und daran muss sich die Planung anpassen. Allerdings gibt es Ansätze, die die Pressung der Strohballen für Bauzwecke inklusive variabler Formate ermöglichen.

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