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Interview: Energieeffizienz im Rekordtempo – Serielle Sanierung von Schulgebäuden

Neue Lösungen gegen den Sanierungsstau bei Schulen: Holzbau-Botschafter Hannsjörg Pohlmeyer über Besonderheiten bei der Planung und Vergabe von seriellen Bauprojekten

In Deutschland gibt es ca. 185.000 kommunale Gebäude, davon ca. 36.000 Schulen – oftmals in energetisch unsaniertem Zustand. Serielle Sanierungsverfahren im großen Stil eröffnen neue Möglichkeiten für Wohnungswirtschaft und Kommunen, den Gebäudebestand energetisch auf die bis 2045 geforderten Standards zu bringen. Schnelle Bauzeiten ohne Nutzungsausfall machen diese Methode grade für Schulen interessant. Am Rande der Klimaschutzkonferenz des DStGB am 14. Mai in Bonn sprach die FNR mit Holzbaucluster-Experte Hannsjörg Pohlmeyer über die  Möglichkeiten des seriellen Sanierens für Kommunen und öffentliche Auftraggeber.


Herr Pohlmeyer, als kommunaler Berater beim Holzbaucluster Rheinland-Pfalz haben Sie etliche öffentliche Holzbauprojekte und auch Schulsanierungen begleitet. Was genau versteht man unter serieller Sanierung und warum ist sie besonders für Schulbauten interessant?

Pohlmeyer: Serielle Sanierung bezeichnet ein – relativ neues – Verfahren, bei dem Gebäude mit vorgefertigten Elementen saniert werden. Diese Module werden digital an einem virtuellen "Zwilling" bis aufs Kleinste vorgeplant, in einer Fabrik industriell vorproduziert und dann auf der Baustelle wie eine Art Maßanzug montiert. Das Verfahren vereint die Vorteile von moderner Holztafelbauweise mit neuesten Sanierungstechniken. Es ist besonders für Schulgebäude interessant, weil es die Bauzeit erheblich verkürzt und Störungen im Schulbetrieb minimiert. Da Schulen oft während der Ferienzeiten saniert werden müssen, ist die serielle Sanierung eine ideale Lösung, um diese kurzen Zeitfenster optimal zu nutzen.

Neben der Geschwindigkeit gibt es weitere Vorteile für serielle Schulsanierungen. Die hohe Planungssicherheit führt auch zu Kostensicherheit. Durch die standardisierte Fertigung sind die Kosten besser kalkulierbar und es gibt, wenn richtig geplant wird, weniger unvorhergesehene Kostensteigerungen. Und schließlich wird die auch Energieeffizienz erheblich verbessert. Moderne serielle Sanierungsmethoden integrieren oft fortschrittliche Dämmtechniken und energiesparende Systeme, was zu einer deutlichen Reduktion des Energieverbrauchs führt. Wenn man so will eine Art Klimaschutz-Turbo.

Für welche anderen kommunalen Gebäudetypen sind serielle Sanierungsverfahren mit Holz besonders sinnvoll?

Pohlmeyer: Serielle Sanierungsverfahren bieten im kommunalen Sektor zahlreiche Vorteile, insbesondere bei bestimmten Gebäudetypen, die häufig ähnliche bauliche Anforderungen und Herausforderungen aufweisen. Dazu zählen neben Bildungseinrichtungen auch Kindergärten, Wohngebäude, Sporthallen, Verwaltungsgebäude, Pflege- und Gesundheitseinrichtungen sowie kulturelle Einrichtungen, wie Bibliotheken oder Museen. Speziell die Gebäude der 1960er und 70er Jahre, die oftmals Sanierungsstau aufweisen, haben ähnliche Konstruktionsmuster, die serielle Vorgehensweisen begünstigen.


Was gilt es bei der Planung und Vergabe von seriellen Bauprojekten zu beachten? Gibt es Unterschiede zum bisherigen Vorgehen? 

Pohlmeyer: Bei der Umsetzung des seriellen Bauens in öffentlichen Bauprojekten gibt es einige Besonderheiten zu beachten. Die traditionelle Rollenverteilung „Der Planer plant, der Bauunternehmer setzt um“ passt nicht mehr und es muss integraler und gesamtheitlicher vorgegangen werden:

  1. Holzbau-Kompetenz absichern: Bei der Vergabe sollte darauf geachtet werden, dass Unternehmen ausgewählt werden, die über Erfahrung mit seriellen Sanierungen und Holzbau verfügen. Wenn Kommunen vorab einen Planer beauftragen, der die Chancen serieller Fertigung nicht berücksichtigt, können Umplanungskosten anfallen oder das Projekt kann schlimmstenfalls nicht umgesetzt werden. Die frühzeitige Einbindung von Holzbau-Kompetenz im Planungsteam ist erfolgsentscheidend. Der Einsatz von digitalen Planungstools und BIM (Building Information Modeling) ist dabei unabdingbar.
  2. Einzellose zusammenfassen: Öffentliche Ausschreibungen setzen nach wie vor oft auf die Vergabe von Einzellosen. Dies schließt den seriellen und modularen Bau häufig von vornherein aus. Serielles Sanieren bedeutet Vorfertigen im Betrieb, d. h. verschiedene Gewerke wie z. B. Fensterbau, Fassadenbekleidung, teils Gebäudetechnik, sind bereits integriert. Hier gilt es die für den Holzbau im Allgemeinen und für serielle Bauweisen im Besonderen erforderliche Loszusammenlegung zu beachten und die vergabetechnischen Möglichkeiten unbedingt auszuschöpfen. Die integrale Koordination der verschiedenen Gewerke ist zwingend erforderlich, um reibungslose Abläufe sicherzustellen. Alle Beteiligten müssen frühzeitig eingebunden werden, um die spezifischen Anforderungen von digitaler Planung und seriellem Bauen zu berücksichtigen.
  3. Wirtschaftlichkeit umfassend betrachten: Der Angebotspreis ist meist das bestimmende Kriterium bei den Zuschlagskriterien. Das billigste Angebot ist jedoch oft nicht das wirtschaftlichste. Planungs-, Bauleitungs- und Bauüberwachungskosten sowie Bauzeit, Zinsaufwendungen und Betriebskosten müssen ebenfalls betrachtet werden. Bei seriellen Holzbauprojekten ist zudem eine Verschiebung der HOAI-Phasen zu berücksichtigen. Die Leistungsphasen (LP) 2 und 3 sind die entscheidenden Schlüsselphasen in der Planung, hier werden die zentralen Weichenstellungen vorgenommen. In den LP 4 und 5 geht es dann um eine solide "Abarbeitung". Entsprechend anders ist die Kostenverteilung.

Welche Vergabeverfahren sind für serielle Sanierungen am besten geeignet? 

Pohlmeyer: Damit serielles Bauen auch in der öffentlichen Auftragsvergabe stärker berücksichtigt werden kann, sollte die öffentliche Hand zukünftig auf eine andere Projektkonzeption setzen. Verhandlungsverfahren oder wettbewerbliche Dialoge sollten verstärkt genutzt werden. Das Konstrukt der „integrierten Projektabwicklung“ (IPA) bietet ein neues Modell der partnerschaftlichen Abwicklung von Bauprojekten. In der frühen Zusammenarbeit sind Kosten-, Termin-, Qualitäts- und Nachhaltigkeitsziele besser zu handhaben.

Zudem sollten neue Bewertungskriterien integriert werden, insbesondere aus dem Bereich der Nachhaltigkeit. Hierzu gehören das Vorhandensein eines Materialkatasters, eine reduzierte Belastung des Umfelds der Baustelle sowie die Schnelligkeit der Gebäudeherstellung. Durch diese Maßnahmen können die Vorteile des seriellen Bauens vollumfänglich genutzt und die Herausforderungen in der öffentlichen Vergabe überwunden werden.

Und noch einmal: Erfahrung ist wichtig. Je größer und komplexer ein Gebäude ist umso wichtiger wird das reibungslose um komplexe Zusammenspiel. Eine gewisse Lernkurve sorgt dafür, dass mit den Qualitäts- auch die Zeitziele eingehalten werden.

Zum Abschluss, wie sehen Sie die Zukunft der seriellen Sanierung im öffentlichen Sektor?

Pohlmeyer: Ich bin sehr optimistisch. Die serielle Sanierung bietet enorme Potenziale, um den Sanierungsstau in Deutschland abzubauen und gleichzeitig die Klimaziele zu erreichen. Besonders im Bereich der Schulbauten gibt es viele Chancen, durch effiziente und nachhaltige Sanierungsmaßnahmen nicht nur die Bausubstanz zu verbessern, sondern auch ein besseres Lernumfeld für die Schüler zu schaffen. Ich hoffe, dass immer mehr Kommunen und öffentliche Auftraggeber die Vorteile dieser Methode erkennen und entsprechende Projekte initiieren.

Letztlich lohnt es sich, Pilotprojekte in anderen Kommunen zu betrachten und von deren Erfahrungen zu lernen. Serielle Sanierung kann eine äußerst effektive Methode sein, um Schulbauten schnell, kosteneffizient und nachhaltig zu modernisieren. Und nicht zuletzt ist sie die Kernkompetenz des modernen Holzbaus

Das Interview führte Ute Papenfuß, Referentin für nachhaltige Beschaffung bei der FNR


Weitere Informationen:

  • FNR Online-Seminarreihe "Auf Zukunftskunftskurs: Öffentliches Bauen mit Holz" Zum Programm
  • Vorträge des FNR Online-Seminars "Serielle Sanierung im öffentlichen Wohnungsbau in Holz"  Zu den Vorträgen
  • Broschüre "Leitfaden Bauvergabe - Öffentliches Bauen und Sanieren mit Holz" der FNR in Kooperation mit dem DStGB und der Charta für Holz Download PDF
  • Broschüre "Leitfaden Serielles Sanieren" vom Informationsdienst Holz Download PDF
Hannsjörg Pohlmeyer leitet seit 2009 das Projekt Holzbaucluster Rheinland-Pfalz. Er ist stv. Vorsitzender der Arbeitsgruppe „Bauen in Stadt und Land“ der <a class="external-link-new-window" href="https://www.charta-fuer-holz.de" target="_blank" title="Externer Link, öffnet in neuem Tab oder Fenster">Charta für Holz</a>  des Bundeslandwirtschaftsministeriums und Mitautor des <a class="external-link-new-window" href="https://www.fnr.de/fileadmin/beschaffung/pdf/Brosch_Leitfaden_Bauvergabe_Webversion.pdf" target="_blank" title="Externer Link, öffnet in neuem Tab oder Fenster">Leitfadens Bauvergabe für Holzbauprojekte</a> der FNR. Foto: Svea Pietschmann

Hannsjörg Pohlmeyer leitet seit 2009 das Projekt Holzbaucluster Rheinland-Pfalz. Er ist stv. Vorsitzender der Arbeitsgruppe „Bauen in Stadt und Land“ der Charta für Holz des Bundeslandwirtschaftsministeriums und Mitautor des Leitfadens Bauvergabe für Holzbauprojekte der FNR. Foto: Svea Pietschmann

Auf der Klimaschutzkonferenz des DStGB am 14. Mai 2024 in Bonn stellte er zahlreiche <a class="download" href="t3://file?uid=103709" target="_blank" title="Download, wird in den Downloadbereich geladen">Praxisbeispiele</a> von seriellen Sanierungen von Schulbauten in ganz Deutschland vor.  Foto: Henning Angerer

Auf der Klimaschutzkonferenz des DStGB am 14. Mai 2024 in Bonn stellte er zahlreiche Praxisbeispiele von seriellen Sanierungen von Schulbauten in ganz Deutschland vor. Foto: Henning Angerer

Praxisbeispiele serielle Schulsanierungen in Deutschland, <a class="download" href="t3://file?uid=103709" target="_blank" title="Download, wird in den Downloadbereich geladen">Download PDF</a></br>Bild: Sieveke

Praxisbeispiele serielle Schulsanierungen in Deutschland, Download PDF
Bild: Sieveke

"Der Beratungsbedarf bei Kommunen zum nachhaltigen Sanieren und Bauen ist enorm. Gerade kleine und mittlere Kommunen haben oft begrenzte personelle Ressourcen und benötigen Unterstützung bei der Umsetzung von Sanierungen. Die gemeinsame ständige Seminarreihe <a class="external-link-new-window" href="https://veranstaltungen.fnr.de/holzbau/grusswort" target="_blank" title="Externer Link, öffnet in neuem Tab oder Fenster">"Öffentliches Bauen mit Holz"</a> von FNR und DStBG ist hier eine sehr wichtige Austauschplattform." Bernd Düsterdiek, Beigeordneter beim DStGB, im Gespräch mit Ute Papenfuß, FNR. Foto: FNR/Flotow

"Der Beratungsbedarf bei Kommunen zum nachhaltigen Sanieren und Bauen ist enorm. Gerade kleine und mittlere Kommunen haben oft begrenzte personelle Ressourcen und benötigen Unterstützung bei der Umsetzung von Sanierungen. Die gemeinsame ständige Seminarreihe "Öffentliches Bauen mit Holz" von FNR und DStBG ist hier eine sehr wichtige Austauschplattform." Bernd Düsterdiek, Beigeordneter beim DStGB, im Gespräch mit Ute Papenfuß, FNR. Foto: FNR/Flotow

Die <a class="external-link-new-window" href="https://www.charta-fuer-holz.de" target="_blank" title="Externer Link, öffnet in neuem Tab oder Fenster">Charta für Holz</a> ist ein vom Bundeslandwirtschaftsministerium (BMEL) initiierter Dialog für die effiziente Nutzung von Holz aus nachhaltiger Forstwirtschaft in Deutschland. Verantwortliche aus Bund, Ländern und Kommunen sowie aus Politik, Wirtschaft, Wissenschaft und Zivilgesellschaft kommen im Rahmen der Charta zusammen, um sich über mögliche Lösungswege auszutauschen. 
Die FNR unterhält die Geschäftsstelle der Charta für Holz. Die Arbeitsgruppe „Bauen mit Holz in Stadt und Land“ widmet sich u.a. gezielt den Themen Planung und Ausschreibung von öffentlichen Holzbauprojekten.

Die Charta für Holz ist ein vom Bundeslandwirtschaftsministerium (BMEL) initiierter Dialog für die effiziente Nutzung von Holz aus nachhaltiger Forstwirtschaft in Deutschland. Verantwortliche aus Bund, Ländern und Kommunen sowie aus Politik, Wirtschaft, Wissenschaft und Zivilgesellschaft kommen im Rahmen der Charta zusammen, um sich über mögliche Lösungswege auszutauschen.

Die FNR unterhält die Geschäftsstelle der Charta für Holz. Die Arbeitsgruppe „Bauen mit Holz in Stadt und Land“ widmet sich u.a. gezielt den Themen Planung und Ausschreibung von öffentlichen Holzbauprojekten.